Lara allein daheim

Neulich war meine Mama im Urlaub, um sich von ihrer öden Bürotätigkeit zu erholen. Und ich hatte sturmfrei! Und is ja klar, dass ich das ordentlich ausgenutzt hab. Da hab ich dann immer vor dem Fernseher gegessen und danach ne Kippe geraucht.

Und da ich ja zu den coolen Leuten gehöre, hab ich ne ordentliche Party veranstaltet. Dazu waren eingeladen: der Basti (der mit den Dreadlocks), der Timo (bester Freund vom Basti), die Sophie (meine Mit-Gruppenleiterin), und die Johanne. Aber die is leider voll früh gegangen, weil sie noch auf eine andere Party musste. Und meine neuen Schul-Freunde hab ich natürlich auch eingeladen, damit die mal die anderen kennenlernen, mit denen ich so abhänge. Also die Angie und den Dominik. Die dumme Carmen Kosner habe ich natürlich nicht eingeladen, die hätte ja nur rumgenervt. Aber natürlich hab ich mit der Angie ganz viel über die Party geredet, so dass das sie voll neidisch geworden ist.

Am Nachmittag bin ich mit meinem Bruder einkaufen gegangen. Des war voll der Terz, dass der mitkommt. Musste voll lang auf ihn einlabern, weil ich bin ja noch nicht 18 und einer musste ja den Alk kaufen. Hat er schließlich auch gemacht, au wenn ich jetzt die ganze Zeit dafür abspülen muss.

Bevor die anderen dann gekommen sind, hab ich mir die Augen dramatisch schwarz geschminkt. Das passt gut zu meinen blonden Haaren. Und ein eng anliegendes Trägertop vom H&M angezogen, und eine Zunfthose. Das hat meine Hüftknochen voll betont, aber das macht nichts. „Na Lara, gebärfreudiges Becken“, hat der Basti dann gesagt, als er gekommen ist. Da bin ich voll verlegen geworden. Habs mir natürlich nicht anmerken lassen, sondern hab gesagt: „ Na und??? Etwa was dagegen???“, weil man muss schließlich schlagfertig sind.

Und Musik hab ich auch angemacht, wir haben lauter alternative Sachen gehört, die Green Day, die Ärzte, die 4 Non Blondes und Selig. Dazu lässt sich echt gut abhängen. Und wie es zu ner anständigen Party gehört, hatte der Basti au was zum Rauchen dabei. Da ham wir, besser gesagt er, ne Tüte gebaut, und die ging dann rum. Und jeder hat mal gezogen. Ich hab davor noch nie gekifft gehabt, aber das durften die anderen, auch nicht die Angie ja nicht wissen, weil sonst hätten die ja sofort gedacht, dass ich uncool bin. Und irgendwie hab ich au gar nix richtiges gespürt, aber ich hab halt mal so getan, und laut rumgelacht, wie die anderen. Und am Ende kam es mit dem Alk zusammen schon voll gut. Also bei mir zumindest. Die Sophie hat irgendwann auf den Teppich gekotzt. Da hab ich mich voll geärgert. Ich mein wenn se nichts verträgt, soll se doch gleich ganz daheim bleiben. Wie die Spießer eben auch.

Oh, und dann ist noch was passiert. Also es war grad richtig cool, alle voll gut in Stimmung. Dann bin ich mal in die Küche gegangen, weil ich noch mal Chips holen wollte. Und irgendwann stand der Dominik dann plötzlich hinter mir, und hat mich umarmt. Da bin ich voll erschrocken. Ich mein, ich hab schon mit einigen was gehabt, aber in dem Moment hab ich des echt nicht erwartet. Und ausgerechnet von ihm. Ich mein in der Schule sitz ich auch nur ein paar Plätze von ihm weg, und da is es immer ganz witzig. Er hat so ne lustige Anleitung geschrieben „Wie bediene ich meine Lara?“ Da hat die Angie schon gesagt, dass der wohl auf mich steht. Und eigentlich is er ja echt cool, wenn er nur net so drahtig wäre. Na auf jeden Fall, wusste ich gar net, was ich machen sollte. Weil der wollte mich irgendwie gar nemme los lassen, tja, und dann hab ich einfach gesagt, dass ich jetzt dringend aufs Klo muss. Und da hat er mich dann doch los gelassen. Also das wars von meiner Party, und das nächste mal erzähl ich euch, wie es mir auf der neuen Schule so ergeht.

Lara bei den Pfadfindern

Ich hab ja schon erzählt, dass ich bei den Pfadis bin. Und ich bin schon seit ich zwölf bin dabei. Da hab ich au scho so einiges erlebt. Da geht man in den Ferien immer auf so Lager, also entweder Bula oder Lala. Aso, also das heißt Bundeslager oder Landeslager. Da treffen sich immer Pfadis aus ganz Deutschland, da lernt man immer voll viele richtig knorke Leute kennen. Und da ich ja schon zu den Leitern gehöre, und im Leiterzelt schlafen darf, is es natürlich noch viel besser wie früher, weil man ja quasi alles darf. Aber geraucht wird natürlich net vor den Kiddies, das machen wir dann abends heimlich.

Letztes Jahr war unser Stamm in Südfrankreich. Das war mal cool. Da haben wir gecampt und sind tagsüber am Strand gewesen, oder in der Landschaft rumgelaufen. Is jetzt eigentlich net mal sooo arg pfadimäßig, aber cool is es trotzdem, weil das Wetter is ja warm. Da waren au mal so komische Raupen im Essen, keine Ahnung, wie die da reingekommen sind. Plötzlich sagt die Sophie so ganze leise zu mir: „Schau mal, da sind Raupen.“ Aber natürlich durften wir das vor den Kleinen net laut sagen, weil die hätten das Essen ja nicht mehr gegessen. War aber irgendwie voll witzig.

Abends saßen wir dann am Lagerfeuer und haben „Sweet home Alabama“ gesungen, voll cool war das. Und ein paar Leute hatten ihre Gitarren dabei. Und da hat ein Teil von uns Großen ein Wett-Trampen gemacht. Wir Mädels mit unseren Uniform-Hemden wurden natürlich immer ganz schnell mitgenommen worden, aber die Jungs, vor allem Basti mit seinen  Dreadlocks, da hat’s dann immer viel länger gedauert. Eigentlich darf man des ja net, aber war ja kein erwachsener Spießer dabei, von daher haben wirs halt einfach mal gemacht. Am Schluss haben wir uns alle im örtlichen BuKi , also meiner Arbeitsstelle, wieder getroffen.

Ansonsten treffen wir uns immer Freitags abends mit den „Großen“ da sind alle ab 16 und Dienstags leite ich mit der Sophie meine Sippe, die sind grad zwölf. Und bei den Großen, da is au die  Johanne dabei, die hat au Zunfthosen und einen grünen Bundeswehr-Parka. Das find ich mal voll knorke, so richtig alternativ eben. Und die hört voll die coole Musik wie „Terrorgruppe“ oder „Dritte Wahl“. Die Bands kannte ich gar net, bis die mal Platten mitgebracht hat. Jetzt hör ich die au immer.

Die Johanne is echt mal klug, die hat noch nie in ihrem Leben ne Note schlechter als 2 geschrieben, das Abi hat se mit 1,1 gemacht. Und dann hat se angefangen Kommunikationswissenschaft in Hohenheim zu studieren. Das is so ein Elite-Studiengang, da is der Numerus clausus bestimmt bei 1,5 oder. Aber sie hat gemerkt, dass des net so ihr Ding is, weil zu viel BWL und das is ja wie gesagt dermaßen unknorke. Und jetzt will sie lieber Sozialwissenschaften studieren, dass is au echt mal viel alternativer. Und ein paar Jungs gibt’s natürlich au, aber die kenn ich ja scho so lange. Mit dem Chris war ich ganz kurz zusammen. Der will immer noch was von mir. Der is mir aber zu unknorke. Voll der Langweiler, will nach dem Abi Informatik studieren. Dass is jetzt nich so wirklich alternativ, und das is mir eben scho sehr wichtig. Und seit vier Jahren will er was von mir. Für den bin ich ja echt die Traumfrau. Aber ich hab einfach keinen Bock auf den.

Und nächstes Mal erzähl ich Euch dann, wie es ist, wenn ich mal sturmfrei habe.

Meine neuen Freunde

Seit einiger Zeit bin ich ja auf der neuen Schule. Auf jeden Fall bin ich nur zufällig zu diesem Wirtschaftsgymnasium gekommen, weil das in unserer Stadt überfüllt war, aber das is eh besser so, denn dort sind eh nur die „Iiiih-Tomatensoße-im-Gesicht-Kindergarten-Kinder“ hingegangen. Die Schule ist so eine große Gesamtschule mit Berufsschule und Wirtschaftsgymnasium. Und einer fetten Raucherecke direkt vor der Tür.

Bevor ich es vergesse zu erwähnen: natürlich finde ich Wirtschaft ja mal voll scheiße,  weil das macht die Armen ja so arm. Und die bösen Reichen werden immer nur reicher und mächtiger. Und das find ich dermaßen scheiße. Aber das is halt der einzige Weg für mich, doch noch etwas Bildungsbürgertum zu bekommen.

Der erste Tag war voll schlimm. Ich kannte ja gar niemanden und hab mich erstmal still verhalten. Da hat mir die Alternativeness au net so viel genützt, musste ja erst schauen, ob sie auch ankommt. Aber bald hab ich beim Rauchen die Angie kennengelernt. Die Angie ist voll cool. Sie meint, dass es ja doch viel besser sei eine Frau zu sein, weil das „gibt keine Sauerei, wenn wir es uns selbst besorgen“. Die Angie heißt eigentlich Angelique. Voll cool der Name, fast so cool wie Lara, weil die Namen gibt’s ja nicht so oft. Der ihre Mama war au schon immer alleine mit ihr, die hat nur mal wegen dem Unterhalt mit ihrem Vater telefoniert. Aber das stört die beiden nicht, die machen sich au so ein schönes Leben.

Ach ja, und außerdem gibt es in meiner neuen Klasse auch noch den Dominik. Der sitzt bei uns hinten. Der Dominik kommt auch aus meiner Nähe. Der ist aber schon zwei Jahre älter wie ich, also 18 und hat schon ein Auto. Mit dem is es voll lustig, weil der auch gar keinen Bock so auf diesen Wirtschaftskram hat. Der is freiwillig von seiner alten Schule gegangen, weil er es da so ätzend fand. Und mit dem und der Angie häng ich am meisten rum. Die Angie hat immer so coole Karo-Hemden und Cargohosen an. Eben auch ihren eigenen Stil. Und die hasst Englisch auch so wie ich, weil die kann fast gar net reden, und bei ihr hört sich des alles immer so lustig an, weil sie so bisschen lispelt.  Wir machen immer Witze über die blöden Streber in der ersten Reihe, den Cem und die hässliche Sabrina. Und die doofe Carmen Kosner. Manchmal hängt die auch noch mit uns rum. Aber insgeheim machen wir uns voll über die lustig. Die is voll nervig und irgendwie so möchtegern-cool. Gar net so wirklich cool wie ich und die Angie.

Hallo, ich bin die alternative Lara

Hallo, ich bin die alternative Lara. Ich habe blonde, lange Haare, babyblaue Augen und ganz viele Sommersprossen auf der Nase. Im Gesicht, auf dem linken Wangenknochen, hab ich ein rotes Feuermal, ungefähr Radiergummi-groß und sieht halt aus, als wär da ein Fleck. Von den anderen Kinder im Kindergarten  wurde es als „Iiiih, Tomatensoße im Gesicht“ bezeichnet. Deswegen wurde ich früher oft gehänselt, aber seit dem ich so cool und alternativ geworden bin, passiert mir das nicht mehr. Mein zweiter Name ist Laetizia und der is mal so richtig knorke. Es gibt fast kein Mensch der so heißt, bis auf dieses eine Modell, ich komm jetzt nicht drauf, das auch im Asterix-Film mitgespielt hat. Aber sonst hab ich echt noch niemanden getroffen. Den Namen hab ich gekriegt, weil sich meine Erzeuger schon damals nicht einigen konnten. Meine Mutter wollte unbedingt Larissa, mein Vater wollte Laetizia. So ist das gekommen. Er nennt mich heute übrigens auch immer nur Laetizia. Aber das passt schon alles, weil ja meine Oma aus Pommern kam, und Lara is ja russisch.

Meine Eltern sind geschieden seit ich dreizehn bin. Um den Schock zu verdauen, musste ich erst mit dem Rauchen, wenig später mit dem Ficken anfangen, denn das macht mich besonders alternativ. Meine Mama, voll cool, hat mal was mit Kunst studiert. Find ich voll toll, dass die das damals gemacht hat, so richtig kreativ is die. Hat früher immer mit Farbe aus der Tube, ich glaub Acryl heißt das, gemalt. Aber sie arbeitet als Bürokraft, weil irgendwie muss sie uns ja irgendwie durch bringen. Mein Papa macht irgendwas Kompliziertes, das ich hab auch noch nie wirklich verstanden. Und seit dem er weg ist, muss ich mich zum Glück nicht mehr all zu oft mit ihm abgeben. Hauptsache, er lässt ab und zu Kohle rüberwachsen.

Ach ja einen großen Bruder hab ich auch noch, der musste natürlich erstmal alle Dorfschlampen flach legen, um die Scheidung unserer Eltern zu verarbeiten. Das hat ihm einen sehr guten Ruf in unserer Kleinstadt eingebracht. Ich bin auch recht stolz auf ihn.

Ich trage oft eine schwarze Zunfthose, die mein gebärfreudiges Becken, optimal betont. Die Hose is mal voll knorke, weil die hat außer mir fast keiner hat und wenn, dann nur so richtig coole, alternative Leute, wie die Johanne. Oben trage ich ein H&M-Top, das ist zwar nicht soooooooo alternativ, aber dafür für meinen ebenfalls alternativen Geldbeutel erschwinglich. Zum Glück hab ich so ne gute Taille, da tun es au billige Sachen. Da fällt mein Mini-Busen dann auch kaum mehr ins Gewicht. Ab und zu trage ich allerdings auch mein beiges Pfadi-Uniform-Hemd mit der Nummer 76. Ich bin nämlich bei den Pfadfindern und bin sogar Leiterin. Mit denen mach ich dann so coole Sachen wie T-Shirts batiken und so was…Und im Sommer machen wir Schnitzeljagden im Wald. Und oft gehen wir zusammen Wandern und Zelten.

Um meinen schon erwähnten  Geldbeutel zu füllen (Zigaretten und Pfadi-Lager müssen schließlich irgendwie finanziert werden), arbeite ich Freitag und Samstag abends beim Burger King in unserer Kleinstadt. Der ist nämlich viel besser als der MacDonalds. Und dann kommen immer meine alternativen Freunde von meinem Pfadi-Stamm vorbei, und denen geb ich dann immer ne große Pommes für ne mittlere.

So ich hoffe ihr habt jetzt mal so ein erstes Bild von mir bekommen. Ich werde euch die Tage dann von meinen neuen Freunden erzählen.

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